Neurovaskuläres Netz Ruhr

Bericht zum erfolgreichen Auftakt

Ruhrgebiet gegen den Schlaganfall – Zukunftsperspektiven zwischen Klinikalltag und Anspruch

Anlässlich des Weltschlaganfalltages hat das Neurovaskuläre Netz Ruhr e.V. (NVNR), der Zusammenschluss von 30 Kliniken in der Schlaganfallversorgung an der Ruhr, am 27.10.2022, zu einer Veranstaltung ins St. Josef-Hospital in Bochum eingeladen: ein Diskurs über die zukünftige Gestaltung der Schlaganfallversorgung in der Region Ruhr mit allen beteiligten Akteuren sollte eingeläutet werden. Über 85 Interessierte aus der akutmedizinischen Versorgung, der Rehabilitation und Nachsorge, den Kostenträgern und Unternehmen folgten diesem Aufruf und diskutierten nach kurzen Impulsen aus unterschiedlichen Perspektiven über die enormen Herausforderungen, die mit der Schlaganfallversorgung verbunden sind.

Bedeutung des Schlaganfalls

Als eine der häufigsten Todesursachen und in seinen Auswirkungen die häufigste Ursache für mittlere und schwere Behinderungen stellt der Schlaganfall nicht nur für die Betroffenen eine ernstzunehmende Bedrohung dar, sondern hat auch erheblichen Einfluss auf die Versorgungslandschaft. Insgesamt konnte in den letzten Jahren systematisch sowohl die Qualität der Akutversorgung des Schlaganfalls als auch die der Behandlungsergebnisse verbessert werden. Dies kann vor allem auch auf die flächendeckende Etablierung von Stroke Units und die Verfügbarkeit von neuroradiologischen und neurochirurgischen Therapieoptionen durch die Neurovaskulären Netzwerke zurückgeführt werden.  Das Ruhrgebiet gehört dabei zu den Vorreitern und trägt mit der Gründung des NVNR zur kontinuierlichen Verbesserung der akutmedizinischen Versorgung von Schlaganfallpatient:innen bei.

 

Perspektiven aus der Akutversorgung

Es galt zunächst die unterschiedlichen Perspektiven zu thematisieren und in den Austausch zu kommen. Prof. Peter Berlit moderierte durch die Veranstaltung: als Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, die gemeinsam mit der Deutschen Schlaganfall Gesellschaft Schirmherrin der Veranstaltung war, und als früherer Klinikdirektor am Alfried-Krupp-Krankenhaus Essen, überblickt er sowohl übergreifende, fachliche Entwicklungen als auch die lokalen Gegebenheiten an der Ruhr.

Im Bestreben nach stetiger Qualitätsverbesserung und gleichzeitiger Kosteneffizienz werden von den Stroke Units zahlreiche qualitätssichernde und strukturbildende Maßnahmen verlangt, die mit den verfügbaren Fachkräften in den Krankenhäusern nur schwer zu leisten sind. Nun legt der NRW-Krankenhausplan neue, weitere   Anforderungen vor und die Ärzt:innen fürchten die gut abgestimmte Zusammenarbeit unter den beteiligten Kliniken nicht aufrecht erhalten zu können, weil den kleineren Kliniken Personal und Budget ausgehen und eine Verlagerung zu großen Zentrumskliniken stattfindet könnte. Prof. Dr. Roland Veltkamp, Chefarzt der Klinik für Neurologie, Alfried-Krupp-Krankenhaus Essen und Koordinator des Subnetzes NVN-Ruhr Südwest, betonte im Hinblick auf die Neurovaskulären Zentren in seinem Impulsvortrag, dass für die flächendeckende Schlaganfallversorgung ein Zusammenwirken der regionalen Stroke-Units mit dem koordinierenden Zentrum notwendig ist und dazu eine Netzwerkbildung wichtig ist. Es bedarf einer abgestuften und kooperativen Struktur von größeren und kleineren Kliniken in der Versorgungslandschaft. Auch das Thema Personal und Fachkräftemangel sowie die Bedingungen, die sich aus den geforderten gesetzlichen Maßnahmen für die Akutversorger ergeben, wurden diskutiert und von Prof. Dr. Jens Eyding, leitender Oberarzt der Abteilung für Neurologie, Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke, in seinem Impulsvortrag thematisiert. Aus seiner Sicht tragen auch die Rahmenbedingungen der Krankenhausfinanzierung dazu bei, dass immer weniger Zeit für die akutmedizinische Versorgung bleibt und der Nachwuchs an Fachkräften gerade an kleineren Häusern ausbleibt.

Herausforderungen und Chancen

Einigkeit bei allen Teilnehmer:innen herrscht zum Umgang mit den Herausforderungen: In erster Linie  wird hier das Potenzial des Netzwerks betont. Die überdurchschnittliche Qualität der Akutversorgung ist dabei ein guter Ausgangspunkt. Dr. Bartig, DRG Market, stellte dazu eine Analyse der Versorgungssituation des Schlaganfalles im Ruhrgebiet vor. Hierbei liegt das Ruhrgebiet in den Kennzahlen der Stroke Unit Behandlung und mechanischen Thrombektomie über dem Durchschnitt von NRW und Deutschland. Aber wichtige Aufgaben bleiben:

„Wir müssen uns gemeinsame Ziele setzen, um die Versorgung der Patienten in der Region nachhaltig zu verbessern. Dazu braucht es ein enges und aktives Netzwerk, das über die Akteursgruppen ‚verdrahtet‘, wie ein Geflecht von Nervenzellen“ so Dr. Dirk Albrecht, Vorsitzender der Geschäftsführung Contilia GmbH, der in seinem Impulsvortrag dieses Bild der Neurologie nutzt. Auch Dr. Albert Gehle, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe greift in seinem Statement diesen Gedanken noch einmal auf und erweitert die strukturierte Zusammenarbeit mit dem Wunsch auch sektorenübergreifend aktiv zu werden. Nur wenn eine lücken- und reibungslose Zusammenarbeit aller Akteure entlang der Versorgungskette, sektorenübergreifend angestrebt wird, kann so der bestmögliche Outcome für die Schlaganfallversorgung vor Ort ermöglicht werden. Es muss das gesamte Spektrum entlang der Versorgungskette und in räumlicher Vernetzung in den Blick genommen werden. In der Diskussionsrunde wird dieser Aspekt auch noch einmal vom Vorsitzenden der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe, Dr. Michael Brinkmeier, herausgehoben. „Wir müssen über die Akutphase in die Nachsorge denken. Es gibt schon sehr gute Ansätze, wie z.B. die Schlaganfall-Lotsen; diese müssen wir aufgreifen und einfach mal machen“.

Um eine zukunftsfähige Versorgungsstruktur etablieren und aufrechterhalten zu können, muss das Netzwerk weitergedacht werden. Es muss verstärkt die Prävention (Primär und Sekundärprävention) sowie die Nachsorge und Rehabilitation mit in den Fokus genommen werden. Frau Steffens, Leiterin der TK-Landesvertretung Nordrhein-Westfalen hebt diesen Punkt im Rahmen der Diskussion noch einmal hervor und betont das Potential der Metropolregion Ruhr für innovative Ansätze. In einer Region mit 5 Mio. Einwohnern und vielfältigen Akteurskonstellationen kann man neue Versorgungsformen und Verfahren auch in Studien und Modellprojekte mit Nachdruck erproben und evaluieren.

 

Perspektive Zukunft

Aufgabe des NVNR ist es nun, diese Potentiale aufzugreifen: das Netzwerk zu erweitern, die Akteure enger zusammenzuführen und neue Projekte und Konzepte für die Schlaganfallversorgung zu entwickeln. Das Neurovaskuläre Netz Ruhr ist dazu aussichtsreich aufgestellt. Prof. Dr. Rüdiger Hilker-Roggendorf vom Klinikum Vest hatte dies in seiner Begrüßung als Sprecher des Netzwerks bereits eröffnet:  Die schon länger bestehende Kooperationsstruktur des NVNR hat sich 2019 als Verein auch formal organisiert. Seit Anfang des Jahres hat auf Basis eines ambitionierten Handlungskonzeptes und einer breit angelegten finanziellen Unterstützung von 22 Kliniken die neue Geschäftsstelle des Neurovaskulären Netz Ruhr ihre Arbeit aufgenommen. Sie wird hauptamtlich von der MedEcon Ruhr GmbH betreut. Hierüber können Synergien zwischen dem NVNR und MedEcon, dem Netzwerk der Gesundheitswirtschaft an der Ruhr, geschaffen und genutzt werden. Eine Menge Arbeit für Dr. Christoph Monfeld und Dr. Laura Hörster, die bei MedEcon Ruhr die Aufgaben der Koordination des NVNR übernommen haben; aber es waren auch bereits viele Vertreter der verschiedenen wichtigen Akteursgruppen beisammen, um diese Herausforderungen aussichtsreich und gemeinsam anzugehen.

 

Impressionen der Veranstaltung.